Landschaftsbild aus Deva.

 

Auch Du hättest dort auf die Welt kommen können.

( Eine Suche auf Antwort, nicht nur auf die Probleme von Deva.)

 

 

Auch heuer vor Ostern war ich draußen in dem Stadtteil von Deva, welcher „rampa de gunoi“ genannt wird. Dieses Viertel entstand in den vergangenen Jahren im Überschwemmungsgebiet der Maros. In den armseligen Hütten, aus dem Niemandsland gewachsen, wohnte ein Teil der Ärmsten aus der Stadt Déva. Ich weiß es nicht genau, wie viele es versucht haben hier ihr Heim aufzubauen, aber heuer haben wir schon für mehr  als 30 Familien Hilfspakete verteilt. Unbemerkt, aus der Erde gewachsen, ist ein Viertel entstanden ohne Pläne, ohne Vorstellungen, nur um einen Zweck zu erfüllen: die Menschen vor Regen zu schützen und die Eiseskälte des Winters etwas zu mildern.

 

Ich möchte eine Familie von hier vorstellen:

 

Oster Montag (wie es Brauch ist) bin ich mit den Jungen des Waisenhauses „begießen“ gegangen. ( nach einem Jahrhundertealten Volksbrauch in Ungarn, gehen die Burschen am Oster Montag die Mädchen „begießen“.) Als ich dort war, bat mich ein etwa 17 jähriger Junger Mann um Babykleider, zu meiner Überraschung hat er erzählt, daß seine 15 jährige Frau in Kürze ein Baby erwartet. Ich ging hin und sah die von der vielleicht jüngsten Mutti der Stadt erträumte „Behausung“.  Ein 2x2m großes, aus verschiedenen Abfallstoffen, wie Steine, Ziegelreste zusammengebasteltes Flickwerk, welches als Dach auf ein paar Zweigen einen verschlißenen Nylonsack hatte. Mich hat nicht die Armut des Häuschens überrascht, denn ich habe gesehen wie sie die weggeworfene Ziegelreste aus dem Misthaufen heraussuchten, ich habe gesehen, wie sie in der Kälte des Frühjahrs mit bloßen Händen aus Lehm einen Mörtel formten um die Steine zu verbinden und die Fugen  zu dichten. Ich habe schon damals darüber nachgedacht, wie viele Junge Leute aus Deva wären fähig bei schneidender Kälte mit der bloßen Hand auch nur einen Quadratmeter mit dem lehmigen Kot zu verputzen. Mich hat dieses schwer beschreibbares väterliche Bemühen überrascht, mit welchem Ernst dieser Vater, der selbst noch ein Kind ist, es versucht hat aus dem Nichts ein Heim, ein Nest zu schaffen. Aus ganzem Herzen habe ich diese sorgfältige Liebe bewundert, mit welcher dieser vielleicht jüngste Vater Deva´s versucht hat das zu Hause für die vielleicht jüngste Mutti Deva´s zu schmücken. Das Bild ist Grotesk, es nimmt einem fast den Atem zu sehen, wie im Schatten des Misthaufens, in der- aus dem Boden gewachsenen- armseligen Hütte, Blumen und frisch gewaschene Handarbeiten den Raum schmücken. Der Traum zweier noch fast Kinder, ihre Achtung für das entstandene Leben des neugeborenen Kindes. Es strahlte etwas sehr menschliches, wie ein ewiger Schatz, aus dieser endlosen Armut, vor der nicht nur ich, sondern alle Menschen die das Leben achten, sich verbeugen müssen.

 

Leider ist die Geschichte hier noch nicht beendet. Nach Ostern bin ich mit den Kindern der Stiftung „Babyschauen“ gegangen. Weinend, fluchend haben uns die Leute empfangen. Im Morgengrauen haben Buldozer die Hütten niedergewalzt. Tatsache ist, daß die Leute ohne Genehmigung gebaut haben, die Stadtverwaltung hat das Recht gehabt auf Grund der Gesetze gegen diese ihre Bürger so zu handeln.

Ich als Priester konnte nichts sagen, als dieser 17 jähriger Junge mich gefragt hat, warum konnte sein neugeborener Sohn aus dem Spital kommend nur drei Tage in seinem Haus wohnen. Es war nichts zu sagen, als die junge Frau Richtung Stadt drehend ihr Fäuste schüttelnd gefragt hat, warum haben die, die Paläste besitzen ihre kleine Hütte und alles was sie besaßen genommen.

Ich denke, wir brauchen hier nichts zu sagen, Worte würden nur weh tun, Schmerzen verursachen, ich will niemanden verurteilen, nicht einmal die Gesetze, in dessen Namen Haß und Flüche ausbrechen, nicht nur in Deva. Man soll nicht für irgendeine Seite Partei ergreifen, sondern die wirklich schweren Probleme lösen, die von Tag zu Tag schwieriger werden.

 

Die Stadt muß zusammenhalten um diesen leben wollenden, lieben könnenden Bürgern helfen ein zu Hause, ein Heim zu schaffen. Ich schlage vor, der Bürgermeister soll ein Konto eröffnen auf das jeder gutwilliger Bürger jährlich 10000.- Lej einzahlen soll. Wenn  auch nur 10% der Bevölkerung von Deva dem folgen würde, wären das bereits 100.000.000.-Lej.

 

Ich habe während der Organisation des Kinderheimes oft erfahren wie viele großzügige, warmherzige einfache Menschen, aber auch Unternehmer, Geschäftsleute es gibt. Ich glaube, wir würden überrascht sein wie viele helfen werden, wenn wir ein realistisches, ausführbares Projekt ausarbeiten.

Mein Vorschlag, die Stadt soll aus dem hereinkommenden Geld ein größeres Grundstück kaufen, aufschließen, auf Parzellen aufteilen, für die in Deva geborenen obdachlosen Ehepaare, daß sie dort Häuser bauen können. Sicher werden am Anfang sehr einfache, ärmliche Hütten gebaut, aber die ewige menschliche Natur kennend glaube ich, daß ein jeder sich bemühen wird, ihr Heim schöner und schöner zu zaubern.

Ich weiß, daß so ein Projekt in Gang zu bringen, sehr viele Schwierigkeiten bedeutet. Aber ich bin überzeugt, wenn die Stadt keine konkrete Hilfe gibt, werden diese hilflosen Familien

zerfallen, die Mütter werden ihre Kinder in den Spitälern lassen, die Kinder kommen in staatliche Heime und dort werden sie, aus den Geldern der Steuer zahlender Bürger – monatlich Millionen – versorgt. Wenn die Stadt keine Schritte macht, diesen in eine Sackgasse geratenen Menschen zu helfen, dann werden die glauben, daß sie berechtigt sind mit Gewalt zu nehmen, was sie brauchen um zu Überleben. Sicher kommen viele in Gefängnisse und das bedeutet wieder für uns alle materielle Belastungen.

Die Armut wird nicht aufhören, wenn ein Buldozer die Hütten der Armen niederwalzt.

Wenn wir freiwillig nicht geben, dann züchten wir potenzielle Terroristen.

         

 

P.Csaba Böjte Ofm.

Deva, Sept. 2001