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Magdalena Marsovszky:
“ Die Kunst des Blutes und des Darminhalts – das ist die Message der globalen Kultur und der offenen Gesellschaft an uns Ungarn”. Was hat eine Nitsch-Ausstellung mit dem “Genozid” der Ungarn zu tun?
(Erschienen in: Kunst und Politik. Jahrbuch der Guernica-Gesellschaft, hrsg. von Jutta Held, Bd 2/ 2000, S. 213-222)

“In Ungarn ist ein Kulturskandal ausgebrochen! Das hier ist Gotteslästerung!”- rief der stellvertretende Staatssekretär für kirchliche Angelegenheiten im ‘Ministerium für das Nationale Kulturerbe der Republik Ungarn’ angesichts eines Ausstellungsarrangements von Hermann Nitsch, im Sommer 1999, im Kiscelli Museum von Budapest. Das Blut getöteter Tiere, die Requisiten von Golgotha und menschliche Schreie, die gleichzeitig mehrere Wahrnehmungssinne des Besuchers traktierten, veranlaßten den ausgebildeten Theologen zu einer entschiedenen Retorsion. Er forderte die Einrichtung eines Untersuchungsausschusses zur Überprüfung der Ausgaben “staatlicher Gelder” bei ähnlichen Ausstellungsvorhaben. Zudem versprach er, dass er für die Schließung der Ausstellung sorgen werde. Seiner harschen Kritik schlossen sich wenig später sowohl kirchliche Verbände als auch der Kultusminister an(1).

Es gelang also den Politikern, die Angelegenheit so hochzuspielen, dass binnen zwei Wochen mehrere Zehntausend Besucher in das entlegene Museum gelockt wurden. Einige glaubten, dass die Zuspitzung mit voller Absicht geschah(2). Die Vermutung war jedenfalls nicht abwegig, denn kurz nach Ablauf der Ausstellung unterschrieb der amtierende Kultusminister einen bereits seit längerem fertig gestellten Gesetzentwurf im Zusammenhang mit der Basisinstitution der Kulturfinanzierung Ungarns. Demnach wurde der bis dahin eigenständige ´Nationale Kulturfonds´ (Nemzeti Kultúrális Alap - NKA) nicht nur finanziell direkt dem Ministerium zugeordnet, sondern auch programmatisch, wodurch der Minister seitdem über direkten Einfluss bei der Ernennung von Kuratoriumsmitgliedern verfügt - eine Art Rückverstaatlichung der Kultur(3).

Schließlich verhinderte die Kulturverwaltung der Hauptstadt, die das Museum betreibt, die vorzeitige Schließung der Ausstellung, doch der bittere Nachgeschmack der Auseinandersetzung bleibt weiterhin bestehen(4). Zudem wurden Erinnerungen an die Methoden des realsozialistischen Kulturdiktators Aczél(5) wach, sei er doch der letzte gewesen, der sich eine ähnlich direkte Einmischung in den ästhetischen Bereich des Kulturgeschehens erlaubt hatte(6).

“Kulturpolitik ist von strategischer Wichtigkeit”, heißt es im Programm der rechtskonservativen Orbán-Regierung, die seit Mai 1998 im Amt ist(7). Die Aufstellung einer Werteskala sei die patriotische Pflicht einer Partei, und die wichtigste Aufgabe des von der regierenden Partei gestellten Kultusministers sei der “Schutz der nationalen Werte”. Das ist jedoch nichts anderes als ein von Staats wegen angeordneter Wertkonservatismus, weshalb heutzutage der Begriff ‚parteiische Kunst‘ in den Medien wieder Substanz bekommt(8).

Die Förderung des Wertkonservatismus‘ sei einerseits als Gegengewicht zu den Werken der angeblich privilegierten, linksliberal eingestellten Künstler notwendig, denn auch im Bereich der Kunst sei der Systemwechsel noch nicht richtig vollzogen, die kommunistische Gefahr noch nicht gebannt, und es komme noch immer vor, dass manche der Künstler, die an die Trinität ‚Gott-Heimat-Familie‘ glaubten, in ihrer finanziellen Not dahinvegetieren müssten. Andererseits sei dies der einzige Weg, der Globalisierung der Kultur, die kulturelle Eigenheiten nach westeuropäischem Muster nivelliert, Einhalt zu gebieten. In der Tat steigt seit der Wende 1989 der Stellenwert von gewinnorientierten, wirtschaftlichen Interessen und von Marktgesetzen gegenüber der Ästhetik und den bildungspolitischen Aufgaben, wodurch die Grundlagen ungarischer Kunst und Kultur schon jetzt vielfach ruiniert sind. Wenn täglich unwiderruflich uralte Traditionen verschwinden, ein schönes Handwerk ausstirbt oder durch Jahrhunderte mündlich überlieferte Geschichten und Lieder ins Vergessen geraten, dann ist die Angst vor der fortschreitenden ‘McDonaldisierung’ – wie die Kommerzialisierung der Kultur genannt wird – durchaus real. Dieser negativen Tendenz, die trotz intensiver Bemühungen auch die vorherige sozialistisch-liberale Horn-Regierung zwischen 1994 und 1998 nicht aufzuhalten vermochte, versucht nun die gegenwärtige Regierung so entgegenzutreten, dass sie sich im Bereich der Kulturpolitik (wie in allen anderen Bereichen) auf eine konservative - im Sinne von christlich-national/ungarische - Werteordnung konzentriert. Dementsprechend versucht sie die prä-realsozialistische Bürgertradition wiederherzustellen und sich auf altherkömmliche ungarische Wertvorstellungen zu besinnen, bzw. sich an alten Modellen zu orientieren. Je lauter die Kritik an der Regierung wird, desto intensiver ist ihr Rückzug auf altungarische, historische Symbole und Reliquien(9). Doch eine konservative Haltung zu definieren, - außer im negativen Sinn, z.B. antikommunistisch -, ist in Ungarn außerordentlich schwierig. Deshalb greift die postkommunistische neue Rechte immer wieder auf die zwanziger-dreißiger Jahre als Hauptquelle ihrer Wertvorstellungen zurück(10), was den Aufschwung von damals zum Wesen des Konservatismus‘ gehörenden volksnationalen Ideen begünstigt. Dies trägt jedoch zur Spaltung von Kultur, Politik und Gesellschaft gleichermaßen bei und erweist sich deshalb als katastrophal.

Die Spaltung verläuft auf den ersten Blick entlang der Frage, was Ungarns Verhältnis zu Europa und zu Ungarn selbst ist. Doch der Kampf des nach einem christlichen Ungartum und nach einer organisch-ungarischen Kultur strebenden Konservatismus fällt mit dem Kampf gegen die Juden (oder gegen die, die dafür gehalten werden) und deren ‚Sympathisanten‘ zusammen, denn in der politischen Linken versammeln sich heute – wie damals - traditionell eher die Anhänger von westlichen Demokratien und kosmopolitischem Liberalismus‘; Prinzipien also, die schon in der Monarchie jüdischen Vorstellungen entsprachen(11). Dem hasserfüllten ungarischen Kulturkampf liegt also ein massiver Antisemitismus zugrunde(12).

Die Hetzattacken des rechtsradikalen Führers, des Schriftstellers István Csurka und dessen ‚Partei für Ungarische Gerechtigkeit und Leben‘ (MIÉP), deren Antisemitismus sowohl nach rechts gegen die ‚Kapitalisten‘ als auch nach links gegen die ‚Bolschewiken‘ gerichtet ist(13), verlaufen meistens nicht offen, sondern über Codierungen(14). Die gegenwärtig in der rechtskonservativen Koalition regierenden Parteien stören sich zwar daran, wenn sie als Antisemiten bezeichnet
 werden, doch die Codierungen übernehmen auch sie(15). Vor allem aber grenzen sie sich den Rechtsextremen gegenüber überhaupt nicht ab(16). So erscheinen immer wieder Minister und hochrangige Regierungsmitglieder auf Titelfotos von Zeitschriften(17) oder als Schirmherren von Konferenzen, in denen unmissverständlich antisemitische Äußerungen in codierter Form gemacht
 werden(18).

Vor diesem Hintergrund ist es erklärlich, warum der gleiche stellvertretende Staatssekretär für kirchliche Angelegenheiten, der anlässlich der Nitsch-Ausstellung über “Gotteslästerung” sprach, bei der Schändung des jüdischen Friedhofs der westungarischen Stadt Szombathely(19) in den selben Tagen, stumm blieb(20).

Der heutige ungarische Nationalismus ist – wie in den 30er Jahren(21) - mit einer Art Bauernromantik und Stadtfeindlichkeit verbunden, richtet sich zu einem großen Teil gegen die linksliberale Hauptstadt Budapest und wird als Gegensatz ‘Provinz contra
 Stadt’ ausgespielt(22). Der Antisemitismus wird deshalb hier am offensichtlichsten, weil in Budapest tatsächlich Ostmitteleuropas größte - übrigens weitestgehend assimilierte - jüdische Bevölkerung lebt, die von der Vernichtungsmaschinerie im Zweiten Weltkrieg nicht mehr ganz erreicht wurde(23). Solange sich die Regierung nach rechts offen zeigt, spielt dieser Aspekt – wenn auch unausgesprochen – in ihren Attacken gegen Budapest weiterhin eine Rolle, so auch im Falle der Nitsch-Ausstellung.

Besondere Aufmerksamkeit muss jedoch der schärfsten Kritik in diesem Zusammenhang gewidmet werden, weil sie sich direkt an die westlichen Demokratien richtet: “Die Kunst des Blutes und des Darminhalts – das ist die Message der globalen Kultur und der offenen Gesellschaft an uns Ungarn”(24). Der Satz trifft das Wesentliche einer weit verbreiteten Auffassung, wonach die größte Gefahr für die Kultur heute - im Gegensatz zur realsozialistischen Diktatur - vom westlichen, ”alles vom Tisch fegenden Terror aus der Kraft des Kapitals”(25) ausginge. Es wird beklagt, dass zusammen mit dem Einzug der Marktwirtschaft auch eine Art Kulturkolonisation durch den Westen stattgefunden habe(26). Viele meinen, die Ungarn seien von einer Unterdrückung in die andere geworfen worden, so dass das Land praktisch eine Kolonie geblieben sei: Die sozialistische Kulturglobalisierung werde von der kapitalistischen abgelöst, der ungarische Geist werde demoralisiert und zerstört, aus der ungarischen werde eine internationale, d.h. eine jüdisch-globalisierte Kultur, und als Folge würden die Ungarn nach und nach verschwinden. Dies ermögliche eine so genannte “umgekehrte Assimilation”, das heißt, die jüdischen Liberalen würden versuchen, die ungarische Nation ihrem Stil und Denken anzugleichen(27). Ausdruck dieses ‚nationalen Narzissmus‘ ist auch der Begriff ”Nationalsozialismus”, der jedoch mit einem umgekehrten Vorzeichen die Ausgrenzung der Ungarn aus der eigenen Kultur meint(28), oder der Begriff “heutiger ungarischer Genozid”(29), für das auch die eigenen Journalisten und Schriftsteller mitverantwortlich seien, weil sie die eigene Heimat im Ausland als antisemitisch denunzierten. Da inzwischen beinahe wöchentlich Namen von liberalen ‚Landesverrätern‘ im Rundfunk genannt werden(30), sprechen diese von einem ”verbalen Kosovo”(31), das jedoch Europa noch nicht bemerkt hätte(32). Doch die Konservativen werfen ihnen den Ball zurück. Sie beschuldigen die Linken, hypersensibel zu reagieren(33),den Antisemitismus zu instrumentalisieren, mit ihm zu spielen, ja zu hetzen und statt einer echten Kritik nach dem Motto ”wer nicht für uns ist, ist ein Antisemit” alles abzulehnen, was konservativ ist. Die Historikerin, die diese These aufstellte, ist heute die erste Beraterin des ungarischen Ministerpräsidenten(34).

Der immer wieder aufflammende ungarische Kulturkampf ist inzwischen beinahe zehn Jahre alt(35), und die geistige Spaltung des Landes wird immer größer und unversöhnlicher. Das bedeutet auch, dass die für die EU-Integration dringend notwendige geistig-kulturelle Basis in Ungarn fehlt. So lange sich daran nichts ändert, wird der Integrationsprozess trotz bester Absichten als eine von oben herab geführte, erneute “Kolonisation” erlebt. Ungeachtet dessen verläuft der Prozess der EU-Harmonisierung – die ja angefangen von der Wirtschaft bis hin zum Gesundheitswesen jedes Gebiet umfasst – noch immer ohne Versuch zum kulturpolitischen Dialog.

Allein schon die wirtschaftlichen Verflechtungen und mit den aus dem NATO-Beitritt resultierenden Verpflichtungen lassen eine Integration Ungarns in die Europäische Union als zwingend erscheinen. Doch zum Schutz vor nationalen Exzessen – wie in Jugoslawien – und zur Erhaltung der politischen Stabilität in Europa muss die Kulturpolitik zum Motor der Einigung werden. Dringend erforderlich sind unter anderem klare Stellungnahmen der Europäischen Union als eine Wertegemeinschaft und eine gemeinsame europäische Kulturpolitik, bzw. ein einheitliches Kulturmanagement mit einer offensiven Öffentlichkeitsarbeit, damit die Bestrebung, die kulturelle Vielfalt in Europa zu garantieren (Art. 128 des Maastrichtvertrages) in den Anwärterstaaten verstehbar wird. Schließlich ist auch die deutsche Wirtschaft in Ungarn, d.h. das stärkste im Lande vertretene ‚westliche Kapital‘ in seinem eigenen Interesse aufgefordert, sich in seinen Sponsoringstrategien und seiner Selbstdarstellung vor Ort – ähnlich dem Budapester Goethe Institut - intensiver des Problems
 Anzunehmen(36). Zur Vermeidung von Desastern und einer gesellschaftlichen Verweigerung wäre die entschiedene Vorgabe einer kulturpolitischen Leitlinie Deutschlands und Europas erforderlich – so beispielsweise: ‚verantwortungsvoller Umgang mit der eigenen Vergangenheit als Konfliktprävention‘.
 

Anmerkungen:

(1) Ferenc Pallagi: ‚Tízezer perc‘ (übers.: Zehntausend Minuten), in: Vasárnapi blikk (übers.: Sonntagsblikk/ eine Sonntagsausgabe der Tageszeitung Blikk), 11. Juli 1999) – Gábor Gellért Kis: ‚Egy kiállítás utóélete‘ (übers.: Das Nachleben einer Ausstellung), in: Élet és Irodalom (übers.: Leben und Literatur/ liberale gesellschaftskritische Wochenzeitschrift für Literatur und Politik), 06. August 1999.
(2) Judit N. Kósa: ‚Alapozás‘ (übers.: Untermauerung), in: Élet és Irodalom (übers.: Leben und Literatur/ liberale gesellschaftskritische Wochenzeitschrift für Literatur und Politik), 03. August 1999.
(3) Die wichtigste Einnahmequelle des Kulturfonds ist seit je her der ´Kulturgroschen´, eine nach ´hochkulturellen´ und ´populärkulturellen´ Gesichtspunkten unterschiedlich gestaffelte Sondersteuer der kulturellen Einrichtungen und Produkte. Ursprünglich für die Autonomie der Kultur vorgesehen und deshalb in Sonderkanäle geleitet, fließt er jetzt in den Staatshaushalt zurück. Vgl. Zoltán Kovács: ‚Harccal a kultúra felé‘ (übers.: Mit Kampf gegen die Kultur), in: Élet és Irodalom (übers.: Leben und Literatur, liberale gesellschaftskritische Wochenzeitschrift für Literatur und Politik), 06. August 1999.
(4) So wird man in den Medien noch immer vor der “Erhöhung von Gotteslästerung zum Kunstwerk” gewarnt, wie zuletzt im Rundfunk-Gottesdienst in: Ungarischer Rundfunk Kossuth, 04. Juni 2000, 10.00 Uhr.
(5) György Aczél (1917-1991) war ab 1967 erster Zensor des Landes im Realsozialismus.
(6) György Korbely: ‚Hermann Nitsch esete Aczél György szellemével‘ (übers.: Der Fall Hermann Nitsch und der Geist von György Aczél), in: Békés megyei nap - Békéscsaba (übers.: Der Tag im Komitat Békés – Békéscsaba/ Tageszeitung des südungarischen Komitats Békés, Ausgabe der Stadt Békéscsaba), 07. Juli 1999.
(7) Vgl. “‘Az ezredforduló kihívása a polgári Magyarország megteremtése.‘ A Magyar Köztársaság Kormányának programja” (übers.: Das Schaffen eines bürgerlichen Ungarns ist die Antwort auf die Herausforderung der Jahrausendwende. Program der Regierung der Ungarischen Republik) In: Internet, Homepage ‚Miniszterelnöki Hivatal‘ (übers.: Amt des Ministerpräsidenten/ entspricht dem deutschen Bundeskanzleramt).
(8) Zsuzsanna Sándor: ‚Pártolt müvészet‘ (übers.: Parteiische Kunst), in: 168 óra (übers.: 168 Stunden/ liberale gesellschaftskritische Wochenzeitschrift), 09. Dezember 1999.
(9) So wurde z.B. als Auftakt der Millenniumsfeierlichkeiten am 01. Januar 2000 die ungarische heilige Krone, die “sacra corona” aus dem Budapester Nationalmuseum in einer großangelegten Prozession in das Parlamentsgebäude überführt, denn sie sei nicht bloß ein museales Relikt, sondern Sinnbild der seit Tausend Jahren bestehenden Staatlichkeit einerseits und der seit Tausend Jahren bestehenden Christlichkeit Ungarns andererseits. Vgl. Interview mit dem Historiker und Ministerialbeauftragten für die Millenniumsfeierlichkeiten, Dr. István Nemeskürty, in: ‘Uj évezred felé’ (übers.: Auf dem Weg in ein neues Jahrtausend/ konservative kulturelle Hörfunksendung), Ungarischer Rundfunk Kossuth, 17. Januar 1999, 8.30 Uhr. - Vgl. auch Gábor Kiss: ‚A kompromisszum kényszere. A szimbolikus politizálásról‘ (übers.: Der Zwang des Kompromisses. Über das symbolische Politisieren), in: 168 óra (übers.: 168 Stunden/ liberale gesellschaftskritische Wochenzeitschrift), 20. Januar 2000.
(10) George Schöpflin: “Der unterentwickelte Konservativismus in Ungarn” In: József Bayer, Rainer Deppe (Hg.): Ungarn auf dem Weg in die Demokratie. Frankfurt a.M. 1993, S. 77-87, hier S. 79.
(11) Das Wort ‚liberal‘ war in den 20er, 30er Jahren und ist auch heute das wichtigste Synonym für ‚jüdisch‘. Vgl. Vera Ránki: Magyarok – Zsidók – Nacionalizmus. A befogadás és a kirekesztés politikája (übers.: Ungarn – Juden – Nationalismus. Die Politik der Akzeptanz und der Ausgrenzung), Budapest 1999, S. 94.
(12) Obwohl in Ungarn die Ablehnung der Zigeuner größer ist als der Antisemitismus - vgl. ‚Idehaza nem tabu az elöitélet‘ (übers.: Hierzulande sind Vorurteile kein Tabu), Interview mit dem Sozialpsychologen Ferenc Erös, in: Népszabadság (übers.: Volksfreiheit, liberale Tageszeitung), 19. Juli 1997 -, wird in dieser Arbeit deshalb nicht näher auf die Lage der Zigeuner eingegangen, weil sie in der Kulturpolitik keine relevante Rolle spielen. Anders bei den Juden oder vermeintlichen Juden: Die heutige – in Ungarn durchaus lebendige - assoziative Nähe der Begriffe ‚liberale Intelligenz‘, d.h. ‚gebildet‘ und ‚jüdisch‘ geht auf die historische Tatsache zurück, dass in der Monarchie des 19. Jahrhunderts die ‚Veredelung der Israeliten‘, bzw. die ‚Bildung‘ Voraussetzung für die kulturelle Assimilation, für die Verbürgerlichung und somit für die Emanzipation der Juden war, vgl. Tamás Ungvári: Ahasvérus és Shylock. A ‚zsidókérdés‘ Magyarországon (übers.: Ahasver und Shylock. Die ‚jüdische Frage‘ in Ungarn). Budapest 1999, S. 46. - Letzten Endes ist es heute vollkommen egal, ob Juden (codiert: Liberale) in der Kultur, Kulturpolitik oder in den Medien überrepräsentiert sind, wie dies von konservativer Seite immer wieder behauptet wird. Als ‚jüdisch‘ beschimpft wird im Allgemeinen die Intelligenz, die mit dem linken Parteienspektrum sympathisiert, auch wenn sie bekanntlich nicht jüdisch ist, so z.B. der Schriftsteller Péter Esterházy oder der ehemalige Staatspräsident und Schriftsteller Árpád Göncz.
(13) Wegen der Teilnahme von vielen Juden an der Revolution 1918/19 hat sich schon damals der Begriff ”Judeobolschewik” in die konservative Denkweise eingeschlichen – vgl. Ránki 1999 (wie Anm. 11), S. 85, 110 - und der Antisemitismus als Antikapitalismus lebte auch im Realsozialismus kontinuierlich weiter, ebd., S.181.
(14) Die Tradition der Codierung ist aus realsozialistischen Zeiten überliefert: In einem sozialistischen Land durfte es offiziell keinen offenen Antisemitismus geben, doch weil er trotzdem vorhanden war, mußte er codiert werden. Eine ganze Reihe antisemitischer Codes der Gegenwart zählt der Schriftsteller Mihály Kornis auf. Er schreibt: “Uns (‘die nationfeindlichen Kräfte’, die ‘Urbanen’, die ‘Liberalbolschewiken’, die ‘Kosmopoliten’, die ‘Enkel Aczéls’, den ‘harten Kern der Judeo-Plutokraten’, die ‘das Land ausverkaufen’, die ‘Standesamt-Günstlinge: Schein-Ungarn’, ‘den harten, in den nationalen Corpus eingedrungenen Kern der internationalen Mafia’, die ‘infolge einer Wahlkatastrophe die Schlüsselpositionen des wirtschaftlichen und kulturellen Lebens besetzten’) müßte man kaltstellen (siehe ‘von der Ungezieferplage befreien’), ‘hinausfegen’, zuerst von der ‘Macht-Struktur’, und dann /.../ werden wir weitersehen. /.../ Die ganze Art, wie man unter dem Vorwand des Ausdrucks des ‘Nationalen’ Sündenböcke macht, das in einer leicht decodierbaren Geheimsprache erfolgte ‘Kosmo-Politisieren’ ist, inmitten von Europa, gewürzt mit Anschlägen auf Synagogen und auf jüdische Friedhöfe, ein Weltskandal.” In: Mihály Kornis: ‘Naplórészlet’ (übers.: Auszug aus dem Tagebuch), in: ‘Magyar Narancs’ (übers.: Ungarische Orange/ liberale gesellschaftskritische Wochenzeitschrift), 31. Oktober 1996.
(15) So ist immer wieder die Rede von nicht weiter definierten “bestimmten Menschen”, die der Mehrheit der Bevölkerung ihren Geschmack aufzuzwingen versuchen. Vgl. Interview mit dem stellvertretenden Staatssekretär des Ministeriums für das Nationale Kulturerbe der Republik Ungarn, József Pál darüber, dass in der Kunsthalle Budapest seit den 80er Jahren noch immer die Avantgarde dominiert und die konservative Stilrichtung ausgegrenzt wird. In: Károly Bánhidai, Balázs Feledy, Ferenc Sinkovics: ‘Kiutált képzömüvészet’ (übers.: Hinausgeekelte darstellende Kunst), in: ‘Magyar Demokrata’ (übers.: Ungarischer Demokrat/ konservatives gesellschaftskritisches Wochenblatt), 25. März 1999.
(16) Vgl. Folgende Zitate in den Artikeln von ‘Élet és Irodalom’ (übers.: Leben und Literatur/ liberale gesellschaftskritische Wochenzeitschrift für Literatur und Politik): Péter György: ‘A magyar szégyen’ (übers.: Die ungarische Schande), 17. Juni 1998. Darin heißt es: “Es ist besser, wenn wir realisieren, dass Csurka nicht mehr alleine ist. Die Geschichte ist nicht nur die, dass er selbst in das Parlament eingezogen ist, sondern auch, dass /.../ Hunderte von Intellektuellen diese Schande mittragen, d.h. sie gesellten sich begeistert zur MIÉP /und/ wurden ihre Abgeordneten.” - Tamás Ungvári: ‘Álarcban’ (übers.: In Maske), 25. September 1998. Darin heißt es: “Der Präsident (gemeint ist der Präsident des Ungarischen Parlaments, Géza Gyimóthy, Mitglied der Partei der Kleinlandwirte in der Regierungskoalition /M.M./) hat somit Geschichte gemacht. Denn es gab im Parlament - mit Ausnahme der Horthy-Ära - keinen Präsidenten einer parlamentarischen Sitzung, der antisemitische Äußerungen unbeanstandet gelassen hätte.” – Sándor Radnóti: ‘Taps a kormánypártok és a MIÉP padsoraiban’ (übers.: Beifall in den Reihen der Regierungsparteien und der MIÉP”), 02. April 1999. Darin heißt es: “Péter György wirft /mit Recht/ die Frage nach der Verantwortung derer in der ungarischen Kultur auf, die mit dieser extremistischen Partei paktieren, an deren Veranstaltungen teilnehmen, an deren ‘Universitäten’ unterrichten, deren Propaganda unterstützen. Sie gewöhnen nämlich die Bürger unseres Landes Schritt für Schritt daran, die extremistische Ideologie für eine mögliche Ware am Markt der Ideologien zu halten, und gemäß ihrer starken Neigung zur Amnesie, zu vergessen, was der Skandal immer bleibt: Skandal.” – András Bruck: ‘Irányvonal’ (übers.: Richtlinie), 23. April 1999. Darin heißt es: “Durch ihr Schweigen teilt wohl die rechte Regierung mit, dass nach ihrer Meinung all dies die natürliche Begleiterscheinung der Freiheit sei, weshalb sie dazu keine Stellung beziehen wolle.”
(17) B. regelmäßig auf dem Titelblatt der Wochenzeitschrift ‘Magyar Demokrata’ (übers.: Ungarischer Demokrat/ konservatives gesellschaftskritisches Wochenblatt). Am Titelblatt der Ausgabe vom 09. März 2000 erschien ein Foto von Jörg Haider und darunter der deutsche Gruß “Grüß Gott, Jörg!”.
(18) So z.B. bei der Konferenz ‘Magyar kultúra az ezredfordulón’ (übers.: Ungarische Kultur an der Jahrtausendwende) am 8. Mai 1999. Die Konferenz, die von der Budapester Sektion im Weltverband der Ungarn und von der St. László Akademie organisiert wurde, stand unter der Schirmherrschaft des damaligen Kultursministers, József Hámori und des damaligen Präsidenten des Weltverbandes der Ungarn, des Dichters und Schriftstellers Sándor Csoóri.
Zitat aus dem Vorwort zur Konferenz von der damaligen Vorsitzenden der Budapester Sektion im Weltverband der Ungarn, Dr. Éva Bene: ”Infolge der Kulturpolitik der letzten Jahrzehnte wurde die ungarische nationale Kultur in den Hintergrund gedrängt, als minderwertig angesehen und als provinziell beurteilt. Statt das nationale Bewußtsein zu stärken, taten die ungarischen Medien als Teil ihrer ‘auf die Vernichtung des ungarischen Geistes zielenden kosmopolitisch-liberalen Kampfhandlungen‘ alles, um die Werte unserer nationalen Kultur zu verschweigen, um unsere Sprache zu zerstören, um die ungarische Geschichte zu verfälschen und Traditionen zu vernichten. Doch die Bestrebungen, die auf die Vernichtung des nationalen Geistes zielen, sind nicht nur in den Programmen des Rundfunks und des Fernsehens, sondern auch auf dem Gebiet der Bildung, der Kultur und der Künste gleichermaßen zu erkennen.”
Einer der Vortragenden, der Architekt, György Csete, fängt seine Rede in deutscher Sprache mit “Meine Damen und Herren” an, zitiert aus einem Brief Heinrich Himmlers über die Vernichtung der Ungarn, zieht dann Parallelen zwischen dieser deutschen Bestrebung im Dritten Reich und den “das Ungartum zerstörenden” Bestrebungen der heutigen “Übermenschen” (‘Übermensch’ benutzt er auf deutsch), die “Mrs Albright, Sandy Berger, Cohen, Rubin und Shea” hießen und deren Schüler “Dr. Goebbels’ beste heimische Nachfolger” seien, und verabschiedet sich erneut auf deutsch: “Csete György, Untermensch”. Vgl. Dokumentation der Konferenz, Budapest, 1999.
György Csete wird zu den “die eigene Heimat liebenden Ungarn” gezählt, die zwar – neben den “wenigen, doch einflußreichen Heimat–Denunzianten” – “kaum Gelegenheit haben, doch deshalb umso entschiedener dafür kämpfen, dass die Welt /das/ wahre Gesicht /Ungarns/ kennenlernt. In Sevilla glänzte Imre Makovecz, in Hannover György Vadász mit seinem Entwurf des ungarischen Pavillons. /.../ Der Entwurf des Hauses der Ungarn in Venedig stammt /u.a./ von György Csete”. Vgl. Interview mit György Csete über den ungarischen Pavillon auf der Biennale in Venedig. In: Vasárnapi újság (übers.: Sonntagsmagazin/ rechtsradikal-konservative, gesellschaftskritisch-kulturelle Hörfunksendung), Ungarischer Rundfunk Kossuth, 11. Juni 2000, 06.00 Uhr.
(19) Vgl. József Nagy: ‚Hungaristák éjszakája‘ (übers.: Die Nacht der Hungaristen), in: 168 óra (übers.: 168 Stunden/ liberale gesellschaftskritische Wochenzeitschrift), 22. Juli 1999. - In den ersten drei Monaten des Millenniumsjahres wurden vier jüdische Friedhöfe in Ungarn geschändet, vgl. 168 óra (übers.: 168 Stunden, liberale gesellschaftskritische Wochenzeitschrift), 23. März 2000.
(20) Auch auf den Straßen von Budapest darf man vor Augen der Behörden rechtsradikale Publikationen - meist als billigen Reprint – vertreiben, über die Juden herziehen, Schüler einer jüdischen Schule nach Auschwitz schicken und dann angreifen, die vermeintliche ‚jüdische‘ Fußballmannschaft als “dräckige Juden” beschimpfen und im Stadion “der Zug startet nach Auschwitz” skandieren, vgl. 168 óra (übers.: 168 Stunden, liberale gesellschaftskritische Wochenzeitschrift), 08. Juni 2000. - Élet és Irodalom (übers.: Leben und Literatur, liberale gesellschaftskritische Wochenzeitschrift für Literatur und Politik), 24. März 2000.
(21) Vgl. Ránki 1999 /wie Anm. 11), S.94.
(22) Charakteristisch für den antisemitischen Kampf des übrigen Landes gegen die Hauptstadt ist der Titel eines Artikels ”Karlendítés a Nemzeti ellen” (übers.: Hitlergruß gegen das Nationale) In: ‘Magyar Fórum’ (übers.: Ungarisches Forum/ rechtsradikale Wochenzeitung), 12. August 1999. Hier wird die ‘Abstimmung durch Handerhebung’ beschrieben, durch die die (sozialistisch-liberale) Administration Budapests den Bauplatz-Vorschlag der rechtskonservativen Regierung für das neue Nationaltheater ablehnt. Der Titel suggeriert also die ‚Ausgrenzung der Ungarn‘ (versinnbildlicht im geplanten Nationaltheater) durch die Linksliberalen. ‘Karlendítés’ wird zwar allgemein mit ‘Handerhebung’ übersetzt, doch die meistverbreitete Assoziation mit dem Begriff ist eben ‘Hitlergruß’. Dem Vorgang ‘Abstimmung durch Handerhebung’ entspricht der übliche ungarische Begriff ‘Kézfeltartásos szavazás’.
(23) Bis Anfang Juli 1944 wurden alle auf dem Lande lebenden Juden deportiert. Als die Budapester Juden an die Reihe kamen, stellte der Reichsverweser Horthy die Deportationen ein. Nach einem Putsch am 15. Oktober wurde er zwar entmachtet, und mit Hilfe der ungarischen Faschisten, den ‘Pfeilkreuzlern’ wurden nicht nur die Deportationen fortgesetzt, sondern auch Juden auf offener Straße umgebracht, trotzdem blieben die meisten Juden in Budapest am Leben, vgl. Ránki 1999, S. 146. Die meisten der etwa 90-100 Tausenden ungarischen Juden, die zahlenmäßig etwa ein Prozent der Bevölkerung ausmachen, leben somit in Budapest, wobei die meisten von ihnen sogenannte ”Phantomjuden” sind, weil sie zwar jüdischer Abstammung sind, doch mit der jüdischen Religion nichts mehr zu tun haben. Vgl. András Bruck: ‘Írás a falon. Milyen ma zsidónak lenni Magyarországon?’ (übers.: Schmiererei an der Wand. Wie lebt sich’s heute als Jude in Ungarn?), in: ‘Élet és Irodalom’ (übers.: Leben und Literatur/ liberale gesellschaftskritische Wochenzeitschrift für Literatur und Politik), 19. März 1999.
(24) Péter Szentmihályi Szabó: ‚Természetes anyag‘ (übers.: Organischer Stoff), in: Magyar Fórum (Ungarisches Forum/ rechtsradikale Wochenzeitung), 15. Juli 1999.
(25) So z.B. der Dichter und Schriftsteller Attila Béres in: Magdalena Marsovszky: ‚”Früher hatten wir den Stalin, jetzt haben wir Coca Cola.” Über die Euroskepsis in Ungarn. Ein Gespräch mit dem Dichter und Schriftsteller Attila Béres‘” Deutschlandradio Berlin, Hörspiel/Feature, 17. Februar 1999, 19.30 Uhr.
(26) So z.B. der Dichter und Schriftsteller Aladár Lászlóffy, in: ‘Irodalmi újság’ (übers.: Literaturmagazin/ Hörfunksendung), Ungarischer Rundfunk Kossuth, 26. Dezember 1998, 15.00 Uhr.
(27) Der Gedanke, dass die Ungarn eine “kolonisierte Minderheit in der eigenen Heimat” seien, ist ein Erbe aus dem Vielvölkerstaat der Monarchie, vgl. Tamás Ungvári, ‚Választott sors?‘ (übers.: Selbstgewähltes Schicksal?) In: Népszabadság (übers.: Volksfreiheit, liberale Tageszeitung), 10. März 2000. – Vgl. auch Schöpflin 1993 (wie Anm. 10), S.83, und Ferenc Fehér, Ágnes Heller: “Permanente Revolution von rechts?” In: Bayer, Deppe 1993 (wie Anm. 10), S. 291-299.
(28) So z.B. der Architekt Imre Makovecz in: ‘Vasárnapi újság’ (übers.: Sonntagsmagazin/ rechtsradikal-konservative, gesellschaftskritisch-kulturelle Hörfunksendung), Ungarischer Rundfunk Kossuth, 07. März 1999, 06.00 Uhr. Der auch in Deutschland berühmte Makovecz, der als Leitfigur und Gründerpersönlichkeit der ungarischen organischen Architektur gilt – vgl. Anna M. Eifert-Körnig: Die komprommittierte Moderne. Staatliche Bauproduktion und oppositionelle Tendenzen in der Nachkriegsarchitektur Ungarns. Budapest/Berlin 1994, S. 104 ff. - und dessen Nähe zum Rechtsradikalismus immer offensichtlicher wird - vgl. Mancs /übers.: Tatze, liberale, gesellschaftskritische Wochenzeitung/, 10. Februar 2000) -, ist einer der ungarischen Stararchitekten der Biennale in Venedig im Jahre 2000.
(29) Kornél Döbrentei in seinem Kommentar ‚Új rablók régi szándékokkal‘ (übers.: Neue Räuber mit alten Absichten), in: Vasárnapi újság (übers.: Sonntagsmagazin/ rechtsradikal-konservative, gesellschaftskritisch-kulturelle Hörfunksendung), Ungarischer Rundfunk Kossuth, 04. Juni 2000, 06.00 Uhr.
(30) So zuletzt im öffentlich-rechtlichen Rundfunk in der Sendung ‚Vasárnapi újság‘ (übers.: Sonntagsmagazin/ rechtsradikal-konservative gesellschaftskritisch-kulturelle Hörfunksendung), Ungarischer Rundfunk Kossuth, 14. Mai 2000. - Vgl. noch: Endre Aczél: ‚Közszolgálati zsidózás‘ (übers.: Öffentlich-rechtliche Judenhetze), in: Népszabadság (übers.: Volksfreiheit/ liberale Tageszeitung), 15. Mai 2000.
(31) Ausdruck des Journalisten Imre Tompa. - Vgl. noch: Sándor Radnóti: ‘Taps a kormánypártok és a MIÉP padsoraiban’ (übers.: Beifall in den Reihen der Regierungsparteien und der MIÉP), in: ‘Élet és Irodalom’ (übers.: Leben und Literatur/ liberale gesellschaftskritische Wochenzeitschrift für Literatur und Politik), 02. April 1999. Darin heißt es: “Die MIÉP sollte Partei der politisch-geistigen etnischen Säuberung genannt werden /.../”.
(32) Vgl. Interview mit dem Schriftsteller Mihály Kornis in: Michael Kluth: ‚Medienkrieg und Antisemitismus: die neue "Demokratie" in Ungarn‘, in: ARD, Kulturreport, 30. April 2000. Darin heißt es: "Im Prinzip ist der Haidersche Rassismus in Ungarn schon seit zwei Jahren an der Regierung. Europa hat dies wohl nur nicht bemerkt."
(33) So z.B. der Berater des Ministerpräsidenten, der Journalist István Elek: ‚A teljes magyarság kulturális integrációja‘ (übers.: Die Integration des gesamten Ungartums), in: Magyar Nemzet (übers.: Ungarische Nation/ konservative Tageszeitung, Regierungsorgan), 20. Mai 2000.
(34) Mária Schmidt: “Az ‚antiszemitizmus elleni harc‘ szerepe a rendszerváltozás éveiben” (übers.: Die Rolle des ‚Kampfes gegen den Antisemitismus‘ in den Jahren nach der Wende) In: Különnyomat a Janus-arcú rendszerváltozás címü könyvböl (übers.: Sonderdruck aus dem Buch Die Wende mit dem Janus-Gesicht), Budapest 1998.
(35) Er ist – wie bereits beschrieben – längst nicht nur ein Kulturkampf. Die Rechtsradikalen verlangen im Zusammenhang mit der rumänischen Zyanidvergiftung des Flusses Theiß offen auch die “Revision der Grenzen von Trianon” und die “Verteidigung des ungarischen Lebensraumes”, und im März 2000 berichtete man in den Rundfunknachrichten darüber, dass die rechtsradikale Partei zur Selbstverteidigung ein eigenes Kampfbataillon aufstellen werde, vgl. József Makai: ‚Bombázzunk meg Baia Marét‘ (übers.: Bombardieren wir Baia Mare) In: Magyar Hírlap (übers.: Ungarisches Nachrichtenblatt, liberale Tageszeitung), 22. März 2000 – István D. Dénes: ‚Nácik, éllettér, közöny‘ (übers.: Nazis, Lebensraum, Gleichgültigkeit) In: Népszava, (Volksstimme, liberale Tageszeitung), 22. März 2000 – Alíz Halda: ‚Csurka...‘ In: Élet és Irodalom (übers.: Leben und Literatur, liberale gesellschaftskritische Wochenzeitschrift für Literatur und Politik), 24. März 2000).
(36) Eine ‚gemeinsame Haltung‘ deutscher Firmen oder eine Art Aufklärung deutscher entsandter Mitarbeiter in Ungarn gibt es nicht (Information von der Deutsch-Ungarischer Handelskammer in Budapest und der Deutschen Botschaft in Budapest). Mir sind vereinzelte Beispiele bekannt, in denen sich Deutsche berechtigt fühlen, in Ungarn Judenhetze zu betreiben. So schlug ein ungarisch sprechender, ehemals aus Ungarn vertriebener Schwabe, Mitarbeiter einer deutschen Firma Anfang des Jahres auf die Schulter seines ungarischen Kollegen und sagte: “Komm, Kumpel, du hast einen schwäbischen Namen, ich bin Schwabe, jetzt können wir offen über die Juden herziehen”. Was er nicht wußte: Der ungarische Kollege mit dem ‚deutschen‘ Namen war ein Jude. Infolge eines alten Gesetzes der Monarchie, das die Juden zur Aufgabe ihrer hebräischen und zur Aufnahme von deutschen Namen zwang, haben viele Juden in Ungarn auch heute noch deutsche Namen.