Über den Fluss auf dem Rücken eines krokodils?

Das demokratische Südafrika zwischen Wahrheit, Gerechtigkeit und Versöhnung – eine unerledigte Agenda der Kirchen

Krokodile gibt es kaum in Südafrika. Touristen müssen sich schon weit in die Naturparks im Norden des Landes vorwagen, wenn sie diese Tiere zu Gesicht bekommen wollen.

Dennoch ist das Krokodil dadurch zu einem Symbol der Apartheid avanciert, daß der Spitzname für Pieter Willem Botha, der von 1972 - 1978 Verteidigungsminister und von 1978 bis 1989 Staatspräsident Südafrikas war, "großes Krokodil" (the great crocodile) lautete. Er war in der Tat unberechenbar, hinterhältig, grausam und intransingent, wie das System, das er wie kaum ein anderer verkörperte.

Pieter Willem Botha steht aber auch für die Weigerung der Führungsspitze des Apartheidsystems und oberer und mittlerer Befehlsketten, vor der "Wahrheits- und Versöhnungskommission", welche seit April 1996 die Verbrechen der Vergangenheit aufarbeitet, auszusagen und damit öffentlich Verantwortung für die Unterdrückung der Apartheid zu übernehmen.

Obwohl er inzwischen dafür mit einer Geldstrafe belegt wurde und ihm demnächst ein weiterer Prozeß droht, wird das "große Krokodil" wohl die Wahrheit über das verbrecherische und menschenverachtende System der Apartheid, die nur er kennt, mit sich in die Tiefe des Todes ziehen; so wie etwa neunzig Prozent der Akten der Archive des Geheimdienstes, noch bis Ende 1996, vernichtet worden sind. Damit wird ein wichtiges Stück der Wahrheit des Apartheidregimes für immer unaufgedeckt bleiben.

Das Krokodil als Metapher wurde auch auf dem Anfang Juli 1998 in Kapstadt abgehaltenen "Armutsgipfel" an prominenter Stelle genannt, und damit in den Post-Apartheid-Kontext gestellt. Rams Ramashia, der Präsident der Nationalen Koalition der Nichtregierungsorganisationen Südafrikas, SANGOCO, sagte in seiner Abschlußrede, in der er harte Kritik an der Wirtschaftspolitik der Regierung übte, wie sie im makro-ökonomischen Strategieprogramm GEAR vom Juni 1996 programmatisch vorgestellt worden war: "Der Weg, den GEAR einschlägt, ist nicht weniger gefährlich, als einen Fluß auf dem Rücken eines Krokodils überqueren zu wollen".

Vom Ufer des alten Apartheidregimes macht sich das demokratische Südafrika auf den gefährlichen Übergang ans andere Ufer einer politisch stabilen, wirtschaftlich auf Ausgleich ausgerichteten und untereinander versöhnten "Regenbogennation". In diesem Bild erscheint das Krokodil als Metapher für die Gefährlichkeit und Gefährdetheit des gegenwärtigen Transformationsprozesses, wenn dieser auf eine Wirtschaftspolitik wie GEAR setzt, welche exportorientiertes Wachstum und strikte Haushaltspolitik an die Stelle von Armutsbekämpfung und Befriedung der Grundbedürfnisse der großen benachteiligten Mehrheit setzt.

Das Krokodil: Metapher für die spannende Gefährlichkeit der jetzigen Übergangsphase im demokratischen Südafrika zwischen Wahrheit, Gerechtigkeit und Versöhnung.

Südafrika im Aufbruch

Februar 1990 Rede de Klerks; der Anfang vom Ende des Apartheidsregimes;

März 1990 Unabhängigkeit Namibias;

1991 Im Verlaufe des Jahres werden die letzten Apartheidgesetze abgeschafft;

Dezember 1991 Mit der ersten Sitzung des Konvents für ein demokratisches Südafrika (CODESA) werden die Verhandlungen für eine Übergangsregierung und eine neue Verfassung eingeleitet.

Juni 1992 Die CODESA-Verhandlungen brechen nach dem Massaker von Boipatong zusammen;

April 1993 Die Merhrparteienverhandlungen werden wieder aufgenommen.

September 1993 Die Übergangsverfassung wird von allen Verhandlungspartnern unterzeichnet. Vorbereitungen beginnen für die ersten demokratischen Wahlen.

April 1994 Erste freie demokratische Wahlen in Südafrika: Ende der politischen und legalen Apartheid; die ANC-Allianz gewinnt die Wahlen mit fast Zweidrittelmehrheit.

11. Mai 1994 Nelson Mandela wird als erster demokratisch gewählter Präsident Südafrikas in sein Amt eingeführt.

November 1995 Der ANC gewinnt die Lokalwahlen (mit Ausnahme von Kwa-Zulu-Natal und dem Stadtgebiet von Kapstadt) mit über Zweidrittelmehrheit.

April 1996 Die Wahrheits- und Versöhnungskommission (WVK) nimmt ihre Arbeit auf.

Juni 1996 Die Regierung stellt ihr makroöknomisches Strategieprogramm GEAR ("Growth, Employment and Redestribution") vor und löst damit eine heftige Debatte aus.

Januar 1997 Mit dem Inkrafttreten der neuen Verfassung Südafrikas wird der letzte Schlußstrich unter die Apartheidsherrschaft gesetzt, die vom Internationalen Gerichtshof als "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" erklärt worden war;

April 1997 Südafrika wird 71. Mitglied des Lomé-Vertrages in Form einer qualifizierten Mitgliedschaft;

Dezember 1997 Nelson Mandela übergibt auf dem ANC-Nationalkongreß den Fraktionsvorsitz des ANC an seinen designierten Nachfolger Thabo Mbeki.

Juni 1998 Die WVK beschließt ihre Arbeit; die Amnestieanhörungen werden bis Mitte 1999 fortgesetzt.

Juli 1998 "Armutsgipfel", Abschluß der landesweiten Anhörungen zur Armutssituation, welche von einer breiten zivilgesellschaftlichen Allianz, unter starker Beteiligung der Kirchen, durchgeführt wurden.

Oktober 1998 Desmond Tutu übergibt den vorläufigen fünfbändigen Abschlußbericht der WVK an Nelson Mandela.

September 1999 Zweite demokratische Wahlen. Nelson Mandela tritt als Präsident zurück. Offizielles Ende des Übergangsprozesses der "Regierung der Nationalen Einheit".

Aufbruch zu neuen Ufern

Zunächst einmal scheint Südafrika auf Erfolgskurs zu liegen. Wurde schon die auf dem Verhandlungsweg erzielte "Revolution" in Südafrika in den Medien und die ersten demokratischen Wahlen im April 1994 als "ein Wunder" bezeichnet, so war der gelungene Abschluß der Verhandlungen zur neuen Verfassung, die am ersten Januar 1997 in Kraft trat, wie ein "zweites Wunder". Diese neue Verfassung mit ihrem umfassenden Grundrechte-Katalog, der seinesgleichen sucht, ist eine der demokratischsten und modernsten Verfassungen, die es heute gibt. Sie setzt den Schlußpunkt zu einem Übergangsprozeß, der endgültig Abschied nimmt von einer Verfassung und einem Regime, das vom Internationalen Gerichtshof in Den Haag schon 1973 als illegitime Gewaltherrschaft und ein "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" erklärt worden war.

Erstaunlich ist auch der interne Versöhnungsprozeß seit der Übernahme der Regierung durch Präsident Mandela. Schon die "Regierung der Nationalen Einheit", in der jede Partei mit einem Stimmanteil von mehr als 10 % an der Regierung beteiligt ist, ist Teil des ausgehandelten politischen Kompromisses. Zu diesem Kompromiß gehören wesentlich auch die Beschäftigungsgarantien für Beamte des öffentlichen Dienstes. Die Eingliederung der Soldaten des bewaffneten Flügels des ANC in die Armee sowie die Integration der Geheimdienste sind relativ reibungslos verlaufen. Nur bei dem Umbau der Polizei gibt es noch größere Probleme, besonders in Kwa-Zulu-Natal. Die Gefahr eines militärischen Umsturzes besteht nicht. Der politische Demokratisierungsprozeß ist unumkehrbar.

Kultur des Ausgleichs

Insgesamt herrscht eine neue Kultur des Ausgleichs von politischen Interessen, gekennzeichnet von öffentlicher Transparenz und Einbeziehung der wesentlichen gesellschaftlichen Kräfte. Herausragend ist dabei der sozialpartnerschaftliche Ansatz zwischen Regierung, Gewerkschaften und Industrie in dem gemeinsamen Forum NEDLAC, auf dem wichtige politische und wirtschaftliche Entscheidungen diskutiert werden.

Die entscheidende Integrationsfigur der "Regenbogennation" ist Nelson Mandela selbst. Denn Mandela, der 27 Jahre seines Lebens in Apartheids-Gefängnissen zugebracht hat und es sich zu seiner Lebensaufgabe gemacht hat, den Weißen die Hand zur Versöhnung entgegenzustrecken, ist frei von jeglichem Vergeltungsgefühl, und Symbol eines neuen Miteinander von Schwarz und Weiß. In einer so vom Sport besessenen Nation wie Südafrika haben seine Geste, sich die Mütze des fast ausschließlich weißen nationalen Rugby-Teams, das 1994 die Weltmeisterschaft errungen hatte, aufzusetzen, und sein Wort von "unseren Jungs" mehr getan als viele politische Reden. Sein Besuch bei der Witwe des Architekten der Apartheid Verwoerd war ein ähnliches Symbol.

Den Opfern der Apartheid ihre Würde zurückgeben

Ein wichtiger Bestandteil einer Politik der Versöhnung, die eine neue Rechtsstaatlichkeit und eine neue Kultur der Menschenrechte verstärken soll, ist die "Wahrheits- und Versöhnungskommission" (WVK). Seit April 1996 an der Arbeit hat sie Ende Oktober 1998 ihren vorläufigen Abschlußbericht vorgelegt. Im Zentrum ihrer Arbeit stand, durch Anhörung von Zeugen, die Wahrheit über die Verbrechen der Apartheid aufzudecken und dadurch den Opfern und ihren Angehörigen ihre Würde zurückzugeben. Täter können, soweit es sich um schwerwiegende Verbrechen aus politischen Motiven handelt und diese ein umfassendes Geständnis ablegen, Straffreiheit erhalten. Zwar bleibt dann die Möglichkeit einer Strafverfolgung auf der Strecke, aber diese Amnestie war Teil des notwendigen politischen Kompromisses der Übergangsregierung.

Inwieweit diese Arbeit der Wahrheits und Versöhnungskommission zu der beabsichtigten kollektiven Gewissenserforschung und Verarbeitung der Vergangenheit beigetragen haben und damit einem bereinigten Neuanfang ermöglichen, ist noch nicht abzusehen. Es hat bewegende Geschichten von Opfern und von Vergebung gegeben. Wichtige Täter jedoch haben sich nur zögernd und unter Druck vorgewagt. Die Aussagen der einzelnen vorgeladenen Parteien waren enttäuschend, wie auch der verschiedenen eingeladenen Berufsgruppen, der Banken und der Privatwirtschaft. Diese dienten fast ausschließlich der eigenen Rechtfertigung. Auch die Spezialanhörungen der Kirchen zu ihrer Rolle während der Apartheid brachten insgesamt nicht die erwartete ehrliche Auseinandersetzung, inwieweit die Kirchen Apartheid theologisch legitimiert, in ihren eigenen Strukturen reproduziert und durch ihre mangelnde Bereitschaft, sich für die politische Abschaffung der Apartheid einzusetzen, in ihrer Lebensdauer verlängert haben. Dennoch ist die südafrikanische Wahrheits- und Versöhnungskommission im internationalen Vergleich ein einmaliger Versuch, der Gerechtigkeit durch öffentliche Wahrheitsfindung Genüge zu tun.

Als vorläufige Bilanz läßt sich festhalten, daß das Kalkül, durch den Köder Amnestie möglichst viel Wahrheit zutage zu fördern, nur begrenzt aufgegangen ist. Sicher, es sind genaue Einzelheiten über die fürchterlichen Morde der berüchtigten Polizeieinheit von Vlakplaas aufgedeckt worden; wir wissen jetzt, wie Steve Biko oder die "Cradock 4" und die "Pebco 3" im Ostkap grausam umgebracht wurden, aber die Befehlsketten nach oben werden weitgehend im Dunkeln bleiben. Mit Ausnahme vom Polizeiminister Adriaan Vlok und General Johan van der Merwe hat die gesamte ehemalige Führungsriege des Apartheidregimes sich geweigert, Amnestie zu beantragen.

Damit setzen sie sich natürlich jetzt der Möglichkeit aus,daß sie strafrechtlich belangt werden. Es bleibt zu hoffen, daß dies erfolgreich in dem ein oder anderen Musterprozeß geschieht. Die Gefahr besteht, daß die Regierung jetzt dem verstärkten Drängen derer nachgibt, die eine Generalamnestie für die Verbrechen der Apartheid fordern, um "endlich" einen Schlußstrich unter die Vergangenheit machen zu können. Hoffnungsvoll stimmt, daß bisher nur ein kleiner Teil der über 7.000 Amnestieanträge positiv beschieden wurde, so daß die Gerechtigkeit doch nicht ganz auf der Strecke bleibt, nachdem dies schon bei der Wahrheit der Fall war.

Aber im Zentrum der WVK standen ja von vornherein nicht die Täter, sondern die Opfer von schweren Menschenrechtsverletzungen der Apartheidszeit zwischen März 1960 und Mai 1944. Über 20.000 von ihnen wurden angehört, konnten ihre Geschichten erzählen und die Wahrheit über das Schicksal und den Verbleib ihrer Angehörigen erfahren. Entscheidend wird sein, inwieweit ihnen jetzt eine angemessene Entschädigung gewährt wird, so daß "wiederherstellende Gerechtigkeit" als Grundbaustein einer neuen Rechtsstaatlichkeit und einer neuen Identität durch eine gemeinsame Vergangenheit Gestalt gewinnt.

Die tickende Zeitbombe.

Die wichtigste Herausforderung jedoch muß Südafrika noch bestehen; denn es gibt langfristig keine Versöhnung ohne sozialen und wirtschaftlichen Ausgleich, ohne ein Stück Lastenausgleich und Wiedergutmachung. Zwar gibt es seit 1994 wieder positive Wachstumsraten, die Inflation ist unter 10 % und das Haushaltsdefizit wird kontinuierlich reduziert, aber die wesentlichen Anfragen an die Nachhaltigkeit und Zukunftsfähigkeit des neuen Südafrikas haben drei Namen: Armut, Ungleichheit, Arbeitslosigkeit.

Armut: Südafrika ist mit bezug auf die schwarze Bevölkerungsmehrheit ein Entwicklungsland, das nach dem letzten Entwicklungsbericht der Vereinten Nationen noch hinter Botswana, hinter Kamerun und etwa auf gleicher Höhe mit Kongo liegt. Zwei Drittel der Schwarzen lebt mit einem durchschnittlichen Monatseinkommen von DM 120,00 unter der Armutsgrenze. Diese Armut hat viele Gesichter: ein rassistisches (95 % aller Armen sind Afrikaner), ein ländliches, ein feminines (61 % aller Armen sind Frauen) und ein sehr junges Gesicht; Kinder sind, wie fast immer, besonders von Armut betroffen.

Ungleichheit: Südafrika hat von allen Ländern, von denen es einschlägige Daten gibt, neben Brasilien die höchste Rate von Ungleichheit innerhalb der Bevölkerung. Auch jetzt steht das Verhältnis des Durchschnittseinkommens eines Schwarzen zu dem eines Weißen bei 1 : 9. Die oberen 10 % der Bevölkerung verfügen über etwa die Hälfte aller Einkommen, während den unteren 40 % insgesamt nur 3,9 % der Einkünfte zur Verfügung stehen. Auch jetzt sind noch etwa 4/5 des Landbesitzes in den Händen der weißen Minderheit. Etwa 60.000 weiße Farmer bewirtschaften ca. 85 % der gesamten landwirtschaftlichen Nutzfläche.

Arbeitslosigkeit: die Arbeitslosigkeit ist erschreckend hoch. Die offizielle Statistik spricht von 33 %, aber man ist der Wahrheit wohl näher, wenn man sagt, daß in Südafrika jeder zweite schwarze Südafrikaner arbeitslos ist. Armut, Ungleicheit und Arbeitslosigkeit stellen eine tickende Zeitbombe dar, die, wenn nicht auf absehbare Zeit entschärft, den bisherigen Erfolg des neuen Süafrika in Fragen stellen wird. GEAR hat sowohl seine Prognosen bezüglich Wirtschaftswachstum als auch Schaffung von Arbeitsplätzen weit verfehlt. Anstatt Arbeitsplätze zu schaffen, hat die bisherige Wirtschaftspolitik zum Verlust von Arbeitsplätzen geführt.

Strikte Wirtschaftspolitik: aus dem Lehrbuch des IWF

Im Juni 1996 hat die Regierung ihr wirtschaftspolitisches Grundsatzprogramm vorgestellt. Dieses wurde besonders von Kreisen der Gewerkschaften, der Kirchen und Nichtregierungsorganisationen stark kritisiert. Es könnte direkt aus einem Lehrbuch des Internationalen Währungsfonds stammen. Mit seiner strikten Spar- und Steuerpolitik, seiner einseitigen Ausrichtung auf exportorientiertes Wachstum und investorenfreundliche Industrie-, Handels- und Finanzpolitik bleibt so gut wie kein Spielraum für die Umsetzung des Umbau- und Entwicklungsprogramms (RDP), mit dem der ANC in die Wahlen gezogen war. Der ehemalige Erzbischof von Durban, Denis Hurley, damals noch Vorsitzender der Kommission Wahrheit und Gerechtigkeit der Katholischen Bischofskonferenz, hatte dieses RDP-Programm eine "Verkörperung" der katholischen Soziallehre genannt.

Mit dem makro-ökonomischen Strategieprogramm GEAR ("Growth, Employment and Redistribution", "Wachstum, Beschäftigung und Umverteilung") hat sich die Regierung Südafrikas im Juni 1996 ein Strukturanpassungsprogramm auferlegt, das direkt aus dem Lehrbuch von IWF und Weltbank stammt. Die Debatte um GEAR ist die exemplarische Schlüsseldebatte im neuen Südafrika, in der Regierung, Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften öffentlich und hinter den Kulissen um die zukünftige langfristige Ausrichtung der Wirtschaftspolitik ringen. Wird sich Südafrika für eine Politik entscheiden, für die, wie im Wahlmanifest des "Programms für Wiederaufbau und Entwicklung" niedergelegt, Armutsbekämpfung und die Grundbedürfnisbefriedigung an erster Stelle steht, oder, wie GEAR vorsieht, für eine exportorientierte und investorenfreundliche Wachstumspolitk, welche dann langfristig Beschäftigung und Umverteilung durch den immer wieder beschworenen, und selten gesehenen, "trickle-down-effect" ermöglichen soll?

Diese "große Wirtschaftsdebatte", die seit Juni 1996 zuerst verhalten, dann zunehmend offen und erbittert geführt wird,wurde auf dem Parteitag des ANC im Dezember 1997 noch vertagt,wird aber von den Gewerkschaften (besonders von COSATU, der wichtigsten Föderation von südafrikanischen Gewerkschaften) zunehmend öffentlich verhandelt und trat auf dem Parteitag des Regierungspartners SACP (Südafrikanische Kommunistische Partei) im Juli 1998 offen zutage. Auch die Kirchen haben sich in diese Schlüsseldebatte mit eingemischt.

Immer stärker wächst die Einsicht, daß das neoliberale Wirtschaftsmodell, das einseitig auf durch Deregulierung und Privatisierung erzieltes erhöhtes Wachstum setzt, ein überholtes Modell ist, da es die sozialen und ökologischen Folgekosten außer Betracht läßt.

Um gegen dieses herrschende Modell wirksam gegensteuern zu können, muß der Primat der Politik gegenüber der Wirtschaft zurückgewonnen werden, da Marktkräfte und Wirtschaftswachstum allein keine Schaffung von Arbeitsplätzen und soziale Sicherheit von Benachteiligten garantieren können.

Südafrika, im Kontext einer regionalen Integration, könnte ein Modell einer solchen alternativen Entwicklungsstrategie und eines auf sozialen Ausgleich hin ausgerichteten gesellschaftlichen Umbaus sein. Dafür hat Südafrika besondere Voraussetzungen:

• a) Südafrika hat sich mit dem "Programm für Umbau und Entwicklung" (RDP) ein basisdemokratisch erarbeitetes Rahmenprogramm für eine "people-centered" und "people-driven" Restrukturierung der von der Erblast der Apartheid geprägten Gesellschaft geschaffen.

• b) Mit dem Austritt der Nationalen Partei aus der "Regierung der Nationalen Einheit" ist deren Zwitterstellung als Regierungs- und Oppositionspartei beendet, und die Regierungsallianz von ANC, SACP und COSATU in die Pflicht genommen, ihr Wahlmanifesto des RDP-Basisprogramms politisch umzusetzen. Damit wird das RDP zur gleichen Zeit zum eigentlichen Terrain der Auseinandersetzung ("site of struggle") zwischen den veschiedenen Kräften der ANC-Allianz (zwischen den mehr marktwirtschaftlich, mehr sozialdemokratisch und mehr sozialistisch ausgerichteten Flügeln), und zwischen Regierung und einer fragmentierten Opposition aus der sich desintegrierenden NP, aus einer kleinen aber effektiven liberalen DP, und einer in ihrer Bedeutung stark reduzierten Inkatha Freiheitspartei, sowie der neuen Vereinten Demokratischen Bewegung.

• c) Die große Mehrheit der Regierung, welche im Parlament fast über eine Zweidrittelmehrheit verfügt, kommt aus der Erfahrung eines langen demokratischen Befreiungskampfes im ANC, in COSATU, der UDF und den Kirchen.

• d) Damit dieser Regierung der Spagat gelingt, zugleich eine Politik des Wachstums, welche potentielle Investoren anzieht, und der Armutsbekämpfung zu verfolgen, braucht sie die Unterstützung und den ständigen Druck "von unten": von einer zivilgesellschaftlichen basisdemokratischen Vernetzung von Kräften, welche die legitimen Interessen der benachteiligten Mehrheit der südafrikanischen Bevölkerung vertreten: Als organisierteste Kräfte sind hier besonders die progressiven Gewerkschaften unter Führung von COSATU zu nennen, die Basisorganisationen, die sich dem ANC zugehörig fühlen, der sich umstrukturierende sowie sich regional und national vernetzende NRO-Sektor sowie nicht zuletzt die Kirchen.

• e) Südafrika hat mit fast drei Millionen registrierten Mitgliedern die stärkste unabhängige Gewerkschaftsbewegung auf dem afrikanischen Kontinent; daß die von COSATU (mit 1,9 Millionen Mitgliedern die weitaus stärkste gewerkschaftliche Föderation) geführte progressive Gewerkschaftsbewegung trotz gegenwärtiger Schwierigkeiten die stärkste Kraft im Widerstand gegen eine von Arbeitgeberverbänden und von Weltbank-Beratern unterstützte einseitige Wachstumspolitik ist, hat COSATUs Rolle in der seit Dezember 1995 intensiv geführten Auseinandersetzung um die Privatisierung von staatlichen und halbstaatlichen Unternehmen wie ESKOM, Telekom und SAA gezeigt.

Diese unideologische, flexible und transparente kritische Partnerschaft zwischen der Regierungsallianz und den Gewerkschaften wird immer wieder harten Tests ausgesetzt sein. Sie läßt aber hoffen für eine ebenso flexible wie harte Auseinandersetzung mit der Agenda der Arbeitgeberverbände und von Weltbank und IWF, welche in Südafrika ihr Image als internationale Entwicklungsinstanzen aufbessern wollen. Sie auf ihrem eigenen Terrain kritisch herauszufordern, ohne sich von ihr oder dem IWF unter Druck setzen zu lassen, darauf hat sich die ANC-Allainz bisher eingelassen. Solange sie nicht gezwungen ist, größere Kredite bei IWF und Weltbank aufzunehmen, ist Südafrika in einer im Vergleich zur Mehrzahl der Staaten der Region relativ starken Position.

Wird Südafrika seinen eigenen Entwicklungsweg gehen können, der Alternativen zu den orthodoxen Strukturanpassungsprogrammen aufzeigt und Signale der Hoffnung für die gesamte Region setzt? Das ist die Frage, zu deren positiver Lösung gerade auch die Kirchen entscheidend beitragen können.

Die Kirchen sind neben den Gewerkschaften die wichtigste zivilgesellschaftliche Kraft in Südafrika

Wenn Südafrika oft als "eine Welt in einem Land" bezeichnet wird, so gilt das gerade auch für die kirchliche Ökumene in Südafrika. Parallel zum kolonialen "scramble for Africa" gibt es auch einen solchen Drang der Kirchen zum Südlichen Afrika, quasi als "Eldorado" für missionarische "Eroberung" unter kolonialem Vorzeichen. Es gibt wohl keine größere Kirche, Missionsgesellschaft oder Religion, welche nicht in Südafrika vertreten ist.

Die große missionarische Attraktivität Südafrikas, wie auch des Südlichen Afrika insgesamt, hatte auf jeden Fall den Effekt, daß in Südafrika sich heute 80 % der Bewohner als den christlichen Kirchen zugehörig bekennt, mit einem durchschnittlich hohen Prozentsatz an aktiv praktizierenden Gemeindemitgliedern.

Die über 4000 Afrikanischen Unabhängigen Kirchen sind mit etwa 11 Millionen Mitgliedern die stärkste kirchliche Gruppierung, welche sich in den letzten 30 Jahren etwa verdoppelt hat. Nur die katholische Kirche, mit über 80 % schwarzer Mitglieder eine weitgehend schwarze Kirche, wenngleich dies im Klerus noch nicht so deutlich ist, der immer noch auf weite Strecken weiß ist, hat eine ständige Aufwärtsbewegung erfahren. Mit fast 4 Millionen Mitgliedern ist sie zwar eine Minderheitskirche in Südafrika, der etwa 10 % der Südafrikaner angehören; dennoch hat sie immer schon eine über ihren Zahlenanteil hinaus stärkere öffentliche Geltung gehabt. Das drückt sich etwa darin aus, daß fast siebzig der über 400 Abgeordneten im jetzigen Parlament der katholischen Kirche angehören.

Fast alle anderen Kirchen, die im Südafrikanischen Kirchenrat vertreten sind, wie Methodisten, Anglikaner, Pfingstkirchen, Lutheraner, Presbyterianer und Kongregationalisten, sind stark im Rückgang begriffen. Besonders hart sind die weißen Afrikaans sprechenden Reformierten Kirchen vom Rückgang betroffen. Ihnen gehört der Großteil der Buren an.

Logistisch gesehen gibt es keine vergleichbare Organisation oder staatliche Institution mit ähnlicher Stärke an angestelltem und freiwilligem Personal, und mit einer ähnlichen Infrastruktur an eingerichteten Stellen und Institutionen wie Schulen, Krankenhäusern und Farmen sowie angegliederten und von kirchlichen Werken finanzierten Entwicklungsprojekten bis hinein in die entlegensten ländlichen Gebiete, wie es christliche Kirchen vorweisen können.

Dazu kommen besonders bei den aus ausländischen Missionen hervorgegangenen Kirchen ihre weitverzweigten internationalen Kontakte mit oft erheblichen Zuflüssen an finanzieller Unterstützung. Damit sind die Kirchen im heutigen Südafrika ein wichtiger Machtfaktor.

Die große Herausforderung an die Kirchen im Südlichen Afrika im gegenwärtigen Transformationsprozeß als Anwältin der Armen, sich nicht nur vor Ort an die Seite der Menschen für Armutsbekämpfung und partizipatorische und befreiende Entwicklung einzusetzen, sondern sich besonders in effektiver Advocacy- und Lobbyarbeit in die politische Weichenstellung der Sozial- und Wirtschaftspolitik einzumischen, trifft die Kirchen im südlichen Afrika zu einem Zeitpunkt, wenn sie am wenigsten dafür gerüstet scheinen.

Identitätskrise der Kirchen?

In dem neuen säkularen Staat der Republik Südafrika haben die christlichen Kirchen die hegemoniale Rolle verloren, die sie während der Apartheid und seinem "christlichen Nationalismus" hatten, sie selbst sind in tiefen Umstrukturierungsprozesen begriffen. Die finanziellen und logistischen Unterstützungen, welche die Kirchen zu Anti-Apartheidzeiten erhielten, sind nicht mehr in gleichem Maße verfügbar.

Nach den demokratischen Wahlen im April 1994 erlebten die Kirchen so zuerst eine Art Identitätskrise. In dem Maße, wie die politische Führerschaft besonders seit 1983, dem Jahr der Gründung der UDF brutal unterdrückt und zunehmend in den Untergrund getrieben wurde (allein 1986 wurden über 30 000 SüdafrikanerInnen, mehrheitlich aus UDF affiliierten Organisationen, aus dem demokratischen Widerstand ohne gerichtlichen Prozeß unter den Notstandsgesetzen verhaftet), hatte der SACC zunehmend eine stellvertretende interne Führungsrolle eingenommen, die im Gegensatz zur staatlichen Gewalt von der Mehrheit der Bevölkerung anerkannt wurde.

Zunehmend nahm der SACC auch Funktionen wahr, welche eigentlich Aufgaben von staatlichen Stellen gewesen wären: die Sorge um Flüchtlinge, um Zwangsumgesiedelte, um Gefangene und deren Angehörige, um unschuldig Angeklagte und zum Tod Verurteilte.

Es war alarmierend, wie sich die Kirchen nach den Wahlen 1994 fast schlagartig aus der öffentlichen Verantwortung zurückzuziehen begannen, als ob sie sagen wollten: "Wir haben ja jetzt unsere eigene Regierung mit Mandela an der Spitze. Endlich können wir die Politik den Politikern überlassen und wir uns als Kirchen wieder unserer eigentlichen Aufgabe widmen, nämlich unserer pastoralen und geistlichen Arbeit". Nach viereinhalb Jahren der Regierung der ANC-Allianz unter Mandela mehren sich die Anzeichen, daß den Kirchen deutlich wird, daß sie ihre öffentliche Verantwortung nicht an die Politiker abtreten dürfen, sondern sie neu unter veränderten Bedingungen gestalten müssen.

Mittlerweile sind die Kirchen dabei, die strukturellen Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß sie zwischen Kritik und Solidarität mit der Regierung und einem konstruktiven Engagement mit internationalen Akteuren ihre prophetische Stimme einbringen können.

In Ansätzen ist dies mittlerweile geschehen. Die wichtigste Einrichtung ist das Wirtschaftsinstitut ESSET (Ecumenical Service for Socio-Economic Transformation) in Johannesburg, ein auf Initiative des SACC aufgebautes Wirtschaftsinstitut, das die Kirchen für ihre prophetische Aufgabe in sozio-ökonomischen Fragen zurüstet; sowie die Errichtung von zwei kirchlichen Lobby-Büros in Kapstadt, eines als Verbindungsstelle des Südafrikanischen Kirchenrates (SACC) zum südafrikanischen Parlament in Kapstadt, des andere als Kontaktstelle der Südafrikanischen Bischofskonferenz (SACBC) gegenüber Parlament und Regierung.

Südafrika - eine unerledigte Agenda für die Ökumene

Die wichtigsten Themen der Anti-Apartheid-Agenda bleiben auch auf der gegenwärtigen Agenda; sie stellen sich oft mit noch größerer Schärfe, da sie nicht länger einseitig auf das Konto der "Rassentrennung" abgeschoben werden können. Aber auch im "alten" Südafrika war schon damals nicht Rassentrennung das Hauptthema, sondern politische Unterdrückung und wirtschaftliche Ausbeutung der Mehrheit durch eine Minderheit.

Die Hauptthemen auf der Post-Apartheid-Agenda sind wenigstens drei : Armut, Ungleichheit, Arbeitslosigkeit; dazu können noch vorrangig Gewalt und Kriminalität, Rassismus, Fremdenfeinlichkeit und AIDS.

Damit stellen sich auch die Hauptthemen der Anti-Apartheid-Bewegung neu: die Gewaltfrage, die Frage von Investitionen, die Fragen von Regulierungen internationaler Finanzströme, die Frage der Legitimität einer Regierung in Beziehung zu sozialen und wirtschaftlichen Menschenrechten.

Sicher, auch mit diesen Themen steht Südafrika nicht allein, sondern ist ein ganz "normales" Land wie viele andere. Nur hat Südafrika, in diesem historischen Moment, vielleicht noch Chancen, mit den Themen auf seiner Agenda anders, oder wenigstens ein wenig anders als vergleichbare andere, umzugehen. Wenn das so ist, kann Südafrika auch eine neue Chance für die weltweite Ökumene bedeuten, eine Chance allerdings, die sie auch vor neue Herausforderungen stellt.

Deutsche Kirchen tragen durch ihre starke Interdependenz mit den Kirchen Südafrikas eine besondere Verantwortung

Die EU ist nach wie vor der wichtigste nördliche Partner der Region. die Hälfte des Außenhandels Südafrikas, und 40 % des Außenhandels der Region der SADC-Staaten besteht mit Ländern der EU. Sie ist durch das Lomé-Abkommen mit allen Ländern der SADC politisch und wirtschaftlich verbunden.

Deutschland ist nicht nur das reichste und wirtschaftlich einflußreichste Land der EU, sondern auch nach wie vor der stärkste Wirtschaftspartner Südafrikas. Deshalb ist die Stimme Deutschlands im Ministerrat und der Europäischen Kommission, sowie in den Gremien von IWF, Weltbank und WTO von besonderem Gewicht.

Aufgrund der kolonialen Vergangenheit und missionarischen Verflochtenheit haben die deutschen Kirchen intensive traditionelle Beziehungen besonders zu drei Ländern des Südlichen Afrika: Tansania, Namibia (ehemaliges Deutsch-Süd-West-Afrika) und Südafrika. Diese sind nach wie vor auch Schwerpunkte der ökumenischen Solidaritätsarbeit zum Südlichen Afrika.

Kein entwicklungspolitisches Thema hat besonders an den Rat der Evangelischen Kirchen in Deutschland in den Jahren zwischen 1970 und 1990 so stark beschäftigt wie das der Apartheid in Südafrika. Kein Thema der alljährlichen Fastenaktionen von Misereor hat solche Konfikte innerhalb der Katholischen Kirchen Deutschlands ausgelöst wie die Aktion 1983 zu Südafrika: "Ich will ein Mensch sein". Insgesamt gesehen, war die ökumenische Arbeit kirchlicher Gruppierungen zu Südafrika ein herausragendes Kapitel ökumenischer Solidarität.

Wie kaum ein anderes Land ist Südafrika deutsch geprägt: Etwa 230 000 Südafrikaner sprechen Deutsch als Muttersprache, etwa 1,5 Millionen sind deutscher Herkunft. Die 150.000 deutschen Touristen, die allein 1996 Südafrika besuchten, sind ein Indiz für die vielen persönlichen, verwandtschaftlichen, beruflichen und geschäftlichen Beziehungen und Interessen von Deutschen in Südafrika und zu Südafrika.

Eine kontinuierliche pastorale Arbeit der Katholischen Kirche begann erst 1837, und zwar unter den weißen katholischen Siedlern am Kap. Die Missionsaufgabe unter der schwarzen Bevölkerung wurde institutionell ausgegliedert und der Eigenverantwortung von extra zu diesem Zweck ins Land gerufenen religiösen Orden und Missionsgesellschaften übertragen, die sich fortan als "Missionskirche" unabhängig von der weißen "Siedlerkirche" entwickelte.

Hier liegen die Anfänge für die verhängnisvolle Zweiteilung der katholischen Kirche, welche Erzbischof Hurley zu recht von einer zweifachen Kirche ("dual church") reden ließ. Obwohl die ekklesiologische Struktur der katholischen Kirche von einer Kirche ausging, entwickelten sich innerhalb dieser einen Kirche zwei de facto voneinander getrennte Kirchen: eine weiße "Siedlerkirche" und eine schwarze "Missionskirche".

"Two Worlds, Two Histories, Two Gods, Two Struggles"

Die deutschen Kirchen haben durch ihre zahlreichen in Südafrika und Namibia involvierten Akteure in Vergangenheit und Gegenwart die Strukturen der Kirchen dort mitgeprägt. Sie haben mit dazu beigetragen, daß die Apartheid die Kirchen gespalten hat, so daß diese eher ein getreuer Spiegel der Apartheidgesellschaft geworden sind, als daß sie eine Alternative zu diesem menschenverachtenden System dargestellt hätten.

So konnte es zu dieser tiefen Spaltung zwischen weißen und schwarzen Kirchen in Südafrika kommen, welche Frank Chikane in seinem Beitrag zur Rustenburg-Konferenz der Kirchen im November 1991 in die programmatischen Überschriften faßte: "Zwei Welten, zwei Geschichten; zwei Gottesbilder, zwei Kämpfe". Dies führte für schwarze Christen zu einer ernsten Glaubenskrise, in den Worten Chikanes: "Die Krise, der wir als Schwarze gegenüberstehen ist nicht die, daß wir von ungläubigen Menschen unterdrückt werden, sondern von gläubigen Menschen; daß uns unser Recht zu existieren und ein menschenwürdiges Leben zu führen nicht von Ungläubigen, sondern Glaubenden verwehrt wird".

Der langfristige Erfolg des demokratischen Aufbruchs im neuen Südafrika und der Region des Südlichen Afrika ist noch nicht gesichert, wie die jünsten Konflikte in der Republik Kongo, in Lesotho und Angola zeigen. Dieser Aufbruch darf nicht scheitern! Dafür tragen die Kirchen, gerade auch die Kirchen in Deutschland, eine entscheidende Verantwortung.

"... die Kirchen in Südafrika rüsten sich jetzt für den nächsten großen Kampf, und zwar den Kampf gegen Armut und Arbeitslosigkeit. In allen afrikanischen Ländern herrscht Armut; doch ist sie in Südafrika noch spürbarer, weil die in vielen Teilen des Landes sichtbare Entwicklung, der hohe Lebensstandard und der Wohlstand den starken Gegensatz von arm und reich noch deutlicher werden läßt. Südafrika gilt als das Land mit der weltweit zweithöchsten Differenz zwischen hohen und niedrigen Einkommen. Wir stehen vor einem Kampf, der ganauso schwierig ist, wie der Kampf gegen die Apartheid, der aber leider zur Zeit weniger Aufsehen erregt."

(Der Katholische Erzbisch of emeritus von Durban, Denis Hurley, am 13.06.1998 auf dem Katholikentag in Mainz anläßlich des dreißigjährigen Jubiläums der deutschen Sektion der Päpstlichen Kommission "Justitia et Pax").

"Die Kirchen in Südafrika bündeln ihre Kräfte für eine Politik, die die Menschen an erster Stelle setzt, vor den Profit. Alle, die sich in Südafrika für diese Aufgabe engagieren, werden Hilfe von gleichgesinnten Menschen aus anderen Ländern benötigen. Deutschland hat uns in unserem Kampf gegen die Apartheid sehr unterstützt. Die Zeichen deuten darauf hin, daß es uns auch bei unserem Streben nach wirtschaftlicher Gerechtigkeit helfen wird.

(Denis Hurley im Nachwort zu Theo Kneifel: "Zwischen Versöhnung und Gerechtigkeit")