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Ein neuer Pfad für Bokor und die katholische Kirche

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Nach fünfzehn Jahre andauernden Ermittlungen, die die erste Untersu-chungskommission in der Geschichte der katholischen Kirche Ungarns veranlaát hatte, wurde Pater György Bulányi vom Vatikan der Ketzerei für nicht schuldig befunden. Im Alter von 79 Jahren zelebrierte Pater Bulányi am 19. Oktober 1997 nach Jahrzehnten seine erste öffentliche Messe in einer ungarischen katholischen Kirche.

Im Jahre 1964 handelte der Vatikan mit der kommunistischen Regierung einen "faustischen" Pakt aus, um die Jahre staatlicher religiöser Verfolgung zu beenden. Der Vatikan versprach, Priester und Laien auf dem von den Behörden vorgegebenen Wegen zu halten. Pater Bulányi hatte zu diesem Zeitpunkt bereits acht Jahre seiner vom Staat verhängten lebenslangen Haft für seine religiöse Aktivität abgesessen. Als Folge dieses neuen Abkommens erfuhr er erneut Verfol-gung, dieses Mal von Seiten der katholischen Kirche. 1981 wurde Pater Bulányi von der Untersuchungskom-mission der Ketzerei angeklagt. Ein Jahr später verbot man ihm die Aus-übung des Priesteramts in Ungarn und übergab seinen Fall wurde der Kongre-gation der Glaubenslehre in Rom über-geben.

Die Kongregation bereitete eine Erklärung mit zwölf Zitaten aus dem Dokument des 2. Vatikanischen Kon-zils vor, die Pater Bulányi unter-zeichnen sollte. Pater Bulányi fügte ein weiteres Zitat aus diesem vatika-nischen Dokument über die Gewis-sensfreiheit hinzu und unterzeichnete 1985 die Erklärung. Im Februar 1997 wurde die Erklärung vom Vatikan und demzufolge auch von der katho-lischen Kirche Ungarns angenommen. Bisher wurden die Ereignisse von der Presse und den offiziellen Verlaut-barungen der Kirchenführer als die "Heimkehr des verlorenen Sohns zum verzeihenden Vater" interpretiert. Obwohl diese für die ungarische katho-lische Kirche seit langem so lästige und peinliche Angelegenheit nun erledigt scheint, sind keine Fortschritte auf Aus dem Netz


Pater Bulányi

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Seiten der gegenwärtigen Kirchen-führung zu erkennen.

Im Blick auf diese jüngste Ent-scheidung des Vatikans sind die Reak-tionen in der Bokor-Bewegung zweigeteilt: "Ich wünschte, unser Bruder hätte nur die Bergpredigt unterschrieben. Die Kirchenhierarchie scheint zu akzeptieren und zu ver-geben, jedoch stellt sie Bedingungen für eine falsche Anerkennung, die unser prophetischer Ruf nicht gebrau-chen kann. Jesus selbst hat dies nie gesucht." Diese bittere Antwort eines Priesters, der ebenfalls von derselben Kirche bestraft worden ist, steht stellvertretend für diejenigen, die den Ergebnissen dieses Wendepunktes skeptisch gegenüber stehen.

Selbst wenn Bulányi, und somit die Bokor-Bewegung, formal akzeptiert werden, ist nicht zu erwarten, daá sich das Schicksal von Bokor oder die Beziehung der Hierarchie zu Bokor in Zukunft drastisch ändern wird. Es wird nur eine Gelegenheit mehr sein, die Bewegung zu spalten, und es wird eine nunmehr "legale" Bokorgruppe geben, die ihre radikale Spitze verloren hat. Bokor ist in solchem Ausmaá diskreditiert worden, daá Heilung und Akzeptierung Jahrzehnte dauern wird. Und der Schaden, der Bulányis Auftrag und Arbeit zugefügt wurde, kann niemals wieder gutgemacht werden.

Andere Bokor-Mitglieder sagen eine dynamischere Zukunft voraus: diese formale Akzeptanz durch die katho-lische Kirche Ungarns wird helfen, die Werte von Bokor in die katholische Kirche zu integrieren. Nach einer "konstantinischen", d.h. staatskirch-lichen Kirchenperiode - die erste Stufe kirchlicher Existenz, die Urkirche, hat es in Ungarn nie gegeben - erreicht die katholische Kirche Ungarns jetzt allmählich eine dritte Stufe, die einer Dienst-orientierten Kirche in einer Konsumgesellschaft. Dieser Wechsel hat sich, mit einer starken Betonung individueller Freiheit beziehungsweise sozialer Gerechtigkeit, auch in der katholischen Kirche des Westens und in der Dritten Welt vollzogen .

In dem Bemühen, diese individuelle Freiheit und soziale Gerechtigkeit - beides ist in Osteuropa nicht sehr populär - zu integrieren, versuchte Bokor, in eine vierte Stufe einzutreten, die einer ganzheitlichen Kirche mit der Betonung auf Harmonie und Leben in Verantwortung. Es gab einen Versuch, Bewuátsein zu wecken für globale Probleme und für die Möglichkeiten der Gewaltfreiheit, nachhaltige Ent-wicklung und die Ablehnung weltlicher Macht und des Konsumdenkens. Es ist nicht verwunderlich, daá diese Ideen mit denen der derzeit noch herr-schenden "konstantinischen" Kirche in Konflikt gerieten.

Nun, da Rom die dreizehn unter-zeichneten Punkte anerkannt hat muá sich auch die ungarische Führung "Europa" und einem sozialbewuáten Vatikan anpassen. Dies ist ein schwerer Schritt für die ungarische katholische Kirche. Doch er bewegt die Kirche in Richtung der Werte, die Bokor schon vor langer Zeit entdeckt hat. Es bleibt zu hoffen, daá aufgrund der Integration des Prinzips der Gewaltfreiheit die Kirchenführung die Bischofsbeschlüsse von 1986 und 1990 gegen Kriegsdienstverweigerer zurückziehen und die Kriegsdienst-verweigerung als Menschenrecht aner-kennen werden.

Da die ungarische katholische Priester-schaft älter wird, verliert die Kirche selbst an Macht. Dies kann eine Rein-tegration erleichtern. Jedoch muá Bokor weiter suchen und kämpfen, damit die katholische Kirche in Ungarn die Chance bekommt, eine Kirche Jesu zu werden, die der gegen-wärtigen Krise der Menschheit Ant-worten anbieten kann.

Katalin Simonyi
Übersetzung: BiDo