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Liebe Leserinnen und Leser,

gestern hat die NATO mit ihrem Militärschlag gegen die serbische Armee begonnen, um Präsident Slobodan Milosovic zur Unterzeichnung des Friedensabkommens von Rambouillet zu zwingen. Doch Frieden kann nicht durch militärische Gewalt erzwungen werden. Mit diesem Militäreinsatz ohne UN-Mandat wird gegen internationales Völkerrecht verstoßen, um die nicht enden wollende Verletzung des Völkerrechts in einem brutal geführten Krieg gegen die Zivilbevölkerung im Kosovo zu beenden. Doch Krieg ist nach dem Willen Gottes kein legitimes Mittel zur Lösung von gewaltsamen Konflikten. Einen Militäreinsatz sozusagen als „letzte Möglichkeit“ zu legitimieren, zeigt, daß die Bemühungen um eine nichtmilitärische Lösung der humanitären Tragödie im Kosovo nicht früh genug und nicht engagiert genug betrieben worden sind. Dies müssen wir uns sicher alle kritisch eingestehen.

Dennoch hat es auch auf kirchlicher Seite bis in die letzten Tage einzelne Bemühungen gegeben, die nicht unerwähnt bleiben sollen:

So forderten die Vertreter aller Religionsgemeinschaften im Kosovo in einer gemeinsamen Erklärung am 18. März in Wien, statt eine militärische Lösung anzudrohen, den Dialog und die Verhandlungen fortzusetzen: Der Krieg im Kosovo sei kein Religionskrieg, sondern die Folge schlimmer und leidvoller Erfahrungen in der Vergangenheit auf allen Seiten. Dies müßte bei der Lösung des vorhandenen Konflikts beachtet werden. Alle religiösen und ethnischen Gemeinschaften müßten in Zukunft das Recht haben, ihren Glauben ungehindert zu praktizieren und ihr kulturelles Erbe ohne Angst bewahren zu können.

Die Konferenz Europäischer Kirchen erinnert in einer Erklärung vom 23. März an das Bemühen serbisch-orthodoxer Kirchenführer im Kosovo, die die politische Führung in Belgrad aufgefordert hatten, den Weg des Dialoges und der Demokratisierung einzuschlagen und die Menschenrechte aller ethnischen Gruppen und religiösen Gemeinschaften im Kosovo zu achten und zu schützen.

Nicht zu vergessen ist die Präsenz der internationalen Hilfsorganisationen und vieler freiwilliger Kräfte aus den Mitgliedsorganisationen von Church and Peace, Pax Christi, dem Internationalen Versöhnungsbund und vieler anderer Gruppen und Initiativen, die seit Jahren in allen Teilen des ehemaligen Jugoslawiens für Versöhnung und ein friedliches Zusammenleben aller Bevölkerungsgruppen arbeiten. Viele dieser Organisationen haben ihre MitarbeiterInnen wegen der zu erwarteten Bombendrohungen evakuiert. Trotzdem setzen einige Initiativen ihre humanitäre Hilfe im Kosovo fort wie z.B. „Brot des Lebens“. Der Abzug der humanitären Kräfte hat die ohnehin dramatische Lage der seit Monaten leidenden Bevölkerung und der unzähligen Flüchtlinge zusätzlich verschärft, zumal sie jetzt jeglicher Willkür ausgesetzt sind.

Was können wir jetzt noch tun? In einem Gebetsrundbrief von „Brot des Lebens“ vom 10. März heißt es:

Als Antwort auf die Kosovo-Krise lädt die Dreifaltigkeits-Pfingstgemeinde in Belgrad jeden Dienstag zu Gebet und Fasten ein. In den evangelischen Gemeinden werden 24-Stunden-Gebetsketten organisiert.
Christen beten dafür, daß das Streben nach politischer Macht ersetzt wird durch die Leidenschaft für Frieden, Gerechtigkeit und die Erhaltung von Gottes wunderbarer Schöpfung - dem menschlichen Leben.

Beten wir für alle Menschen, die in der gegenwärtigen Situation gefährdet sind, zu den Leidtragenden gehören und politische Verantwortung haben. Bemühen wir uns jetzt schon auf allen möglichen Ebenen um einen unverzüglichen und verstärkten Aufbau eines zivilen Friedensfachdienstes, damit wir in Zukunft auf wirkungsvolle zivile Möglichkeiten als Alternative zu militärischen Mitteln zurückgreifen können.

Schöffengrund, den 25. März 1999
Christian Hohmann